Die Welt in VR. Zu Besuch bei realities

  • Future of Work
  • 19 Aug 2016
  • 6 min

Wenn man sich heute mit Virtual Reality befasst, kommt man an realities nicht mehr vorbei. Mit ihren fotorealistischen Modellen von realen Orten haben realities letztes Jahr im Silicon Valley für Furor gesorgt. Dort wurde das Startup auch gegründet. Vor wenigen Monaten haben sie ihr Headquarter jedoch nach Berlin verlegt. In einem 100 m2 großen Loft der Colona Nova in Neukölln, einer der pulsierendsten Ecken Berlins, kreieren Daniel Sproll und David Finsterwalder atemberaubend realistische 3D Modelle.

SETTING: Setzt man sich eine VR Brille auf, kann man durch eure Modelle spazieren. Man fühlt sich, als wäre man tatsächlich dort. Unglaublich! Dabei arbeitet ihr nur mit Fotos. Wie funktioniert das?

DANIEL: Du nimmst zwei Fotos und der Computer erkennt ein gleiches Feature, also den gleichen Punkt. Wenn der auf beiden Fotos drauf ist, kannst du jeweils eine Linie zu diesem Punkt ziehen und über einen Winkel die Tiefe ausrechnen. Im Endeffekt ist das nur Trigonometrie. Und wenn du das mit ganz ganz vielen Punkten machst, wird daraus wieder eine Landschaft.

Realities arbeiten mit Photogrammetrie. Das Ergebnis sind fotorealistische 3D Modelle durch die man sich frei bewegen kann.

SETTING: Und der Algorithmus?

DANIEL: Den Algorithmus gibt’s schon seit 1850! Der wurde vor allem im Kartographie-Bereich eingesetzt.

DAVID: Ja, da war das noch Handarbeit.

DANIEL: Die lustige Geschichte die’s dazu gibt - David, mein Mitgründer, heißt Finsterwalder - und der Typ, der damals den ersten vollständigen Algorithmus erfunden hat, war Sebastian Finsterwalder. Die Legende möchte also, dass wir den entsprechenden Nachfahren hier sitzen haben, der sich jetzt auch wieder damit beschäftig!

DAVID: Heute geht’s allerdings schneller.

SETTING: Was ist schnell?

DANIEL: Also die Kirche in Frankreich, das waren 20 bis 25 Minuten Foto-Schiessen und circa einen Tag processen. Wenn's ein größeres Areal ist, wenn’s dunkel ist oder wenn die Geometrie sehr komplex ist, macht man schon mal einen Tag Fotos. Bei der Burg waren es wahrscheinlich ein Tag mit der Drohne und dann eine Woche Processing. Aber wenn man das jetzt von Hand modellieren würde, würd man deutlich länger dran sitzen.

SETTING: Wie hat realities eigentlich begonnen?

DANIEL: Begonnen hat es vor gar nicht allzu langer Zeit. Ich hab David damals auf nem VR-Meetup in München kennengelernt. Wir sind ins Gespräch gekommen und haben uns immer wieder getroffen. David kommt aus der Archäologie, da hat er mit Scanning gearbeitet und sich damit beschäftigt, wie man die in VR bekommt. Ich hab anderweitig mit VR gearbeitet, für Audi, für deren Show-Room Experience. Irgendwann hat mich David gefragt, ob wir nicht zusammen was machen wollen. Und dann sind wir letzten Dezember zusammengekommen, sind gestartet und waren dann erst mal für ein halbes Jahr in Amerika, bei einem Accelerator.

SETTING: Wie war das?

DANIEL: Sehr, sehr anstrengend und sehr, sehr cool. Es ist auf jeden Fall sehr krass, wie die Szene dort drüben aussieht.

SETTING: Wie sieht sie denn aus?

DANIEL: Sehr, sehr fokussiert. 24/7 Business. Also es ist schon eine krasse Bubble und es wird auch mit anderen Summen herumgeworfen als hier in Berlin.

SETTING: Warum habt ihr euch entschlossen dennoch nach Berlin zu gehen?

DANIEL: Wir haben lange überlegt, ob wir drüben bleiben wollen oder hier her gehen. Aber da wir beide Deutsche sind, wäre es mit dem Visa ein riesen Stress gewesen. Und man verbrennt da drüben unfassbar viel Geld weil die Mieten extrem hoch sind. Und - weil die Gehälter extrem hoch sind. Darum haben wir uns entschlossen, erst mal hier ein Office aufzuschlagen. Wir sind eine US-Company, aber werden erst mal einen Großteil der Arbeit hier machen.

SETTING: Welche Rolle spielt dabei das kreative Potential Berlins?

DANIEL: Es ist eine ganz andere Herangehensweise, die viele Leute hier haben. Es ist kreativer. Mehr bereit sich mit etwas auseinanderzusetzen, was vielleicht nicht direkt zu Geld führt. Also es muss nicht immer unfassbar groß sein. Die Leute machen viel weil sie’s geil finden und weil sie hinter der Idee stehen.

SETTING: Was ist euer Ziel, in Welche Richtung wollt ihr gehen?

DANIEL: Stell’s dir vor wie ein Wikipedia für Orte. Also eine Bibliothek von coolen Orten auf der ganzen Welt, du hast diesen Globus gesehen, den wir als Menü haben [siehe Video]. Wir wollen da irgendwann mal so viele Punkte wie möglich draufhaben, die sich die Leute dann anschauen können, und wo sie mehr drüber lernen können. Es geht nicht nur um den Scan. Du kannst Flyer aufheben, du kannst lernen. Wir spielen gerade damit Videos einzubetten und im Green-Screen geschossene Schauspieler. Das wirkt dann wirklich so, als würden die vor dir stehen. Eine andere Sache sind Multi-Player, sodass du mit Freunden von überall auf der Welt diese Orte erkunden kannst. Momentan arbeiten wir gerade sehr viel mit NGOs zusammen, mit Leuten aus der Wissenschaft die schon Scanning machen, die Datensets haben. Wir helfen ihnen die Datensätze in VR zu bekommen, um sie möglichst vielen Leuten zugänglich zu machen.

SETTING: Das klingt nicht nach Gaming.

DANIEL: Für uns war von Anfang an klar, dass wir mehr machen wollen als nur Gaming. VR ist in der öffentlichen Wahrnehmung extrem viel Gaming und wird jetzt auch erst mal sehr gepusht werden vom Gaming. Aber es ist ein neues Medium, es ist eine neue Art mit digitalem Content zu interagieren. Was wir bauen, ist nicht nur für Leute die irgendwelche Zombies erschießen wollen, auch wenn das cool ist und Spaß macht in VR. Was wir machen, kannst du deiner Oma aufziehen, und sie damit an einen Ort bringen, an den sie vielleicht nicht mehr hinreisen kann. Oder wem anderem, der die Möglichkeit nicht hat, um die Welt reisen zu können. Menschen die Möglichkeit geben das zu tun, das ist eine sehr sehr schöne Sache. Und dafür ist VR perfekt geeignet.

 SETTING: Was waren für euch die größten Herausforderungen als Startup?

DANIEL: Wie viel Zeit hast du? Wir haben beide relativ wenig Erfahrung damit, wie es ist, ein Unternehmen zu gründen. Wir machen das zum ersten Mal. Wir waren sehr dankbar, dass wir von Anfang an bei diesem Accelerator sein konnten, weil wir dort viel fragen konnten. Außerdem waren viele andere Companies um uns herum, auch aus dem VR Bereich, die vor den gleichen Herausforderungen standen. Man tut sich leichter, wenn man sich ein bisschen absprechen kann. Weil jeder hat eines von den tausenden Problemen die man selbst hat, schon mal gelöst. Ich glaube, das hat uns viele Fehler erspart. Ansonsten ist VR momentan schwierig, weil’s so neu ist. Man hat einen Markt von dem keiner weiß, wie er funktioniert, der eigentlich auch noch nicht existiert. Die Nutzerzahlen sind noch so gering, dass jeder sagt oh mein Gott das ist Wahnsinn da ein Startup aufzumachen. Aber wir glauben fest dran und spüren total viel Potential und Dynamik von den Leuten die in dem Bereich drin sind.

SETTING: Wie lange wird es noch dauern bis VR salonfähig, bzw. marktfähig ist?

DANIEL: Ich glaube es wird einen großen Sprung geben im Herbst, wenn die Playstation VR rauskommt. Da wird sich der Markt nochmal deutlich vergrößern, weil das Hardware ist, die die Leute schon zuhause haben, wo sie nur etwas dazu kaufen müssen. Viele müssen einen komplett neuen Computer kaufen um die Headsets, die es jetzt gibt, zu betreiben. Die nächsten zwei Jahre wird’s spannend. Also 2016 erwarten noch die wenigsten, Geld zu machen, aber wir hoffen, dass es dann danach mal Userzahlen gibt, wo man damit anfangen kann. Aber so lange ist es auch einfach ein riesen Spaß, dieses neue Medium zu gestalten, Sachen rauszufinden und herumzuexperimentieren. Und - uncharted territory zu begehen!

SETTING: Welche Tipps habt ihr für andere Startups?

DANIEL: Einfach machen!

DAVID: Just do it.

DANIEL: Man darf nicht scheu sein. Man muss sich trauen viele dumme Fragen zu stellen, viele Leute zu treffen. Jeder stand schon mal vor dem gleichen Problem und du musst dir nur die richtige Meinung einholen. Am besten gleich fünf! Wenn man fünf Meinungen einholt, kriegt man fünf verschiedene, aber dann hat man zumindest mal einen Überblick.

DAVID: Sich selber ein bisschen mehr zutrauen und keine Angst vorm Scheitern haben!

 

Realities gibt’s kostenlos hier.

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